Fanbeauftragte: Brückenbauer zwischen Tribüne und Verein

8. March 2024 in ADMIRAL Bundesliga

Fanbeauftragte gibt es in Österreich schon seit mehr als 20 Jahren. Ihre Aufgabe ist aber auch heute noch vielen unklar. Dabei sind sie Ansprechpartner, Bindeglied und Brückenbauer - und manchmal sogar Singer-Songwriter. Eine Geschichte über die Arbeit der Fanbeauftragten.

„Die Rolle ist leider noch sehr unbekannt“, sagt Dominik Neumann, wenn er von seinem Job spricht. Er beschreibt ihn folgendermaßen: „Ich bin das Bindeglied zwischen Fans und Verein.“ Neumann ist seit 2019 Fanbeauftragter beim SK Puntigamer Sturm Graz, die Verbindung zum Klub geht aber schon viel weiter zurück: Sturm-Anhänger ist er von klein auf, in der Jugend hat es ihn in die Kurve gezogen. Bei Sportveranstaltungen wollte er ohnehin immer arbeiten, neben dem Studium (Sport- Kultur- und Veranstaltungsmanagement) engagierte er sich ehrenamtlich bei Sturm, arbeitete später bei den Graz99ers und leitete in einer Agentur Sportprojekte. Bei seinem Herzensverein war er zunächst auch für das Mitgliederwesen zuständig, mittlerweile wird er von seiner Kollegin Lisa Rahm unterstützt. Gleich zwei Vollzeitstellen in der Fanarbeit sind für einen österreichischen Klub noch eher ungewöhnlich.

Denn wie stark die Position der Fanbeauftragten in Österreich forciert wird und welches Standing sie haben, ist von Klub zu Klub unterschiedlich. Nur vier (Sturm Graz, SK Rapid, Austria Wien, Red Bull Salzburg) haben hauptberufliche Fanbeauftragte, die restlichen Vereine setzen auf Ehrenamtliche oder betrauen Mitarbeiter der Geschäftsstelle zusätzlich mit der Funktion. Die Nennung von Fanbeauftragten ist ein verpflichtendes Kriterium für den Erhalt der Bundesliga-Lizenz. Das beruht nicht zuletzt auch auf einer Vorgabe der UEFA, die dieses Thema stark forciert. In den Bestimmungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga heißt es über die Aufgaben von Fanbeauftragten:

„Die Klubs sind dazu angehalten, mit ihren Fanklubs eine enge Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Der gemäß den Lizenzbestimmungen zu ernennende Fanbeauftragte nimmt eine Brückenfunktion zwischen Fans und dem Klub ein (...)“

Neben den zwölf Bundesligisten verfügen auch eine Handvoll Zweitligisten über Fanbeauftragte, sie alle erhalten für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung aus dem Sicherheitstopf. In Summe werden so jährlich über 60.000 € ausgeschüttet. Um ihre Erfahrungen auszutauschen, treffen sich die Fanbeauftragten einmal jährlich zu einem Workshop. „Dieser Erfahrungsaustausch ist immens wichtig“, sagt Paul Reiterer, der bei der Bundesliga für den Bereich Sicherheit, Infrastruktur & Fans zuständig ist, „es erleichtert die Zusammenarbeit ganz einfach, wenn man sich untereinander auch persönlich kennt.“ Auch für die Bundesliga sind die Fanbeauftragten wichtige Ansprechpartner: „Sie sind idealerweise in der Fanszene gut vernetzt und können Anliegen der Fans zu uns transportieren. Dadurch können wir versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden und auf Vorschläge oder Anregungen einzugehen.“

Das sieht auch Dominik Neumann so: „Für die Fans ist es ein Mehrwert, wenn sie uns kennen, unsere Telefonnummer haben, und wissen, dass sie uns jederzeit erreichen können - und wir ihnen möglichst schnell und unkompliziert weiterhelfen können.“ Schlussendlich gehe es darum, das Bestmögliche für den Verein herauszuholen. Dazu müsse man die Fanstrukturen kennen, um gut vermitteln zu können. „Bei der Fanarbeit geht es viel um das Vorarbeiten – damit man auf jegliche Situationen gut vorbereitet ist.“

Besonders die Auswärtsspiele seien herausfordernd. Wie reisen die Fans an? Gibt es genügend Parkplätze? Gibt es eine Choreografie, die mit der Sicherheitsabteilung abgeklärt werden muss? Auch andere Themen abseits der Spieltage stehen auf Neumanns Agenda, Feierlichkeiten rund um den Geburtstag des Vereins zum Beispiel.

Mehrwert für alle Seiten

„Wir nehmen Fananliegen auf und versuchen, sie bestmöglich im Verein voranzutreiben - aber auch Entscheidungen des Vereins an die Fans zu vermitteln. Du schaust, dass ein regelmäßiger Austausch stattfindet.“ So beschreibt Florian Wöckl seinen Beruf. Zehn Jahre gehörte er zur Salzburger Fanszene, war dort Trommler. Über den Fanbeirat landete er 2018 in der Position des Fanbeauftragten beim FC Red Bull Salzburg.

Durch seine Anstellung ist er mehr eingebunden als manch andere Kollegen, sein Aufgabenbereich breiter. Dieser umfasst nicht nur administrative Tätigkeiten wie das Anmelden von Choreografien oder Termine mit den Fanclubs, auch die Organisation von Auswärtsspielen liegt in seiner Zuständigkeit. „Gerade bei internationalen Spielen ist das mega spannend“, sagt Wöckl.

Natürlich werde er oft gefragt, was man da überhaupt macht, aber wenn ein Fanbeauftragter gut arbeite, biete das für den Klub einen großen Mehrwert. „Viele Themen kannst du schon vorab abfedern, intern nimmst du den Kollegen viel Arbeit ab“, sagt Wöckl. Manchmal sei der Job zwar nicht einfach, man stehe immer ein bisschen zwischen den Stühlen. „Aber es macht riesengroßen Spaß.“

„Verbindungsglied für die Fans“

Als „Verbindungsglied, Anlaufstelle und Interessensvertreter für unsere Fans“ sieht sich Stefan Baldauf. Anders als Neumann und Wöckl ist er kein Klubangestellter, er übt die Rolle als Fanbeauftragter von Austria Lustenau im Ehrenamt aus. Und wendet doch bis zu 20 Stunden pro Woche dafür auf. „Das kannst du nur machen, wenn dir der Verein am Herzen liegt“, sagt er. Seine Liebe zum Verein hat er sogar musikalisch verarbeitet: Seine Songs heißen „Grün und Weiss“ und „Für unsere Austria!“. Seit der Saison 2021/22 hat er kein Auswärtsspiel seines Vereins verpasst.

Baldauf umreißt einen typischen Spieltag: Bereits im Vorfeld nimmt man Kontakt zum gegnerischen Verein auf, meldet Choreografien an, bespricht die Anreise der Fans und sicherheitsrelevante Aspekte zum Spiel. Der Vorbericht muss ausgefüllt, Tickets für Auswärtsspiele organisiert, Resttickets zurückgegeben werden. Man ist beim Sicherheitsrundgang dabei, muss mit der Polizei und den Sicherheitsverantwortlichen in Kontakt bleiben. Vor Ort werden Gespräche gesucht – und wenn es sein müsse, dann wirke man deeskalierend ein. Bei den meisten Partien sei er schon einige Stunde vor dem Spiel im Stadion – und bei einem Derby komme es schon mal vor, dass er im Vorfeld 55 Anrufe am Tag hat.

Zusammen mit Hannes Baur ist Baldauf seit 2020 Fanbeauftragter, sein Kollege ist schon seit 2013 dabei. „Das wäre für mich wohl noch etwas zu früh gewesen, weil ich damals noch selbst in der Fanszene aktiv war“, erklärt Baldauf. Es sei zwar wichtig, die Interessen der Fans zu kennen, alles erfahre man als Fanbeauftragter im Vorfeld aber auch nicht. „Das ist auch gut so. Eine gewisse Distanz muss vorhanden sein - in gewissen Themen braucht es aber die Nähe“, sagt Baldauf.

Manchmal sei die Aufgabe auch ein wenig undankbar - insbesondere dann, wenn es zu Fehlverhalten der Fans kommt. Werden Stadionverbotsverfahren eingeleitet, geben die Fanbeauftragten Stellungnahmen ab und können in Absprache mit dem Verein Anträge auf eine Verwarnung unter Auflagen stellen – so ist es beispielsweise möglich, dass der Klub mit dem Betroffenen geeignete sozialpräventive Maßnahmen ausarbeitet und umsetzt. Manchmal werde von ihm gefordert, dass man doch einfach alle Störer raushauen solle - so einfach sei aber das nicht. „Man hat als Verein auch eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Fans. Das sind junge Leute - wenn sie mal einen Blödsinn machen, heißt das nicht automatisch, dass alle Schwerverbrecher sind. Ich bin Mitte 40 - viele, die zu meiner Zeit im aktiv in der Fanszene waren, sind heute ehrenamtlich im Verein tätig.“ Schon heute würden sich viele Mitglieder der Fanszene im Verein oder für soziale Hilfsprojekte engagieren – berichtet werde meist aber nur über negative Vorfälle, ärgert sich Baldauf.

Ansprechpartner statt Sicherheitsorgan

Vorrangig sehen sich Neumann, Wöckl und Baldauf als Ansprechpartner für die aktiven Fans. „Mit ihnen hast du den engsten Draht“, erklärt Baldauf. „Sie haben andere Bedürfnisse als der klassische Stadionzuschauer. Nichtsdestotrotz versuchen wir, jedem Fan das bestmögliche Stadionerlebnis zu ermöglichen“, sagt Wöckl. Mit der Fankurve setze man sich fast zwangsläufig mehr auseinander, meint Neumann, „aber Sturm hat auch viele Fans, die nicht in der Kurve aktiv sind. Mit denen versuchen wir genauso, im Austausch zu sein.“

Auch mit den Sicherheitsorganen wie dem Sicherheitsbeauftragten und der szenekundigen Polizei findet ein permanenter Austausch statt. Fanmärsche werden abgestimmt, man ist bei Ankunft und Abfahrt der Fans zugegen. Das Spiel selbst könne er sich normalerweise in Ruhe anschauen, sagt Baldauf. Und doch komme es immer wieder zu Situationen, wo es wichtig sei, dass ein Ansprechpartner vor Ort sei. Beim letzten Derby in Altach konnte Baldauf nach einer längeren Spielunterbrechung aufgrund von pyrotechnischen Gegenständen im Gespräch mit dem Schiedsrichter und den Fans einen Spielabbruch verhindern.

Lustenau wurde daraufhin dazu verpflichtet, mit den Fans einen Workshop zum Thema Pyrotechnik im Frühling abzuhalten, um eine bedingte Nachsicht von 15.000 Euro Strafe zu erwirken. Auch die Organisation und aktive Teilnahme an solchen Workshops zählt zu den Aufgaben der Fanbeauftragten.

„Was vielen Fanbeauftragten sauer aufstößt, ist, dass sie oft im Visier sind, wenn etwas passiert. Dann werden sie gefragt: ‚Hast du deine Fans nicht unter Kontrolle?‘ Das ist aber nicht unbedingt die Aufgabe der Fanbeauftragten“, sagt Paul Reiterer von der Bundesliga. Es gehe es eher darum, im Vorfeld durch Gespräche und genaues Hinschauen Problemzonen zu entdecken. In den meisten Fällen funktioniere das auch sehr gut.

Potenzial vorhanden

Das seien dann auch die wirklich schönen Seiten am Job, erzählt Dominik Neumann:  „Wenn man sieht, dass die eigene Arbeit Früchte trägt und das Zusammenleben zwischen Fans und Verein funktioniert. Ich bin mit Sturm groß geworden, kenne hier sehr viele Leute. Ich mag die Gespräche am Stadionvorplatz, wenn Fans auf mich zukommen und wissen, sie können mit mir über alles reden“, sagt er. Er genieße die Abwechslung, die internationalen Spiele seien sowieso Highlights. Das sieht auch Salzburgs Florian Wöckl so: „Wenn man in Mailand oder Liverpool im vollen Auswärtssektor steht, ist das schon eine Genugtuung, wenn du weißt, dass alle Spaß haben und wieder sicher heimkommen. Auch ein Heimspiel vor vollem Haus – und alles klappt“, so Wöckl. Als Fanbeauftragter sei man immer vor Ort, nahe an der Mannschaft, tief im Verein, erzählt Lustenaus Baldauf und fügt hinzu: „Wir sind keine Entscheidungsträger, aber auf unsere Meinung wird schon auch Wert gelegt."

Paul Reiterer sieht noch Potenzial in der Rolle der Fanbeauftragten in Österreich. Gerade bei Vereinen mit kleiner Fanszene könne ein solcher dazu beitragen, neue Zielgruppen zu erschließen. Als Vorbild gilt Deutschland. Dort haben Vereine – auch der Größe geschuldet – teils bis zu zehn hauptamtliche Fanbeauftragte. Reiterer wünscht sich, „dass wir irgendwann auch in Richtung Fanprojekte kommen. Dass wirklich mit den Fans gearbeitet wird – denn darin steckt sehr viel Potenzial für den gesamten Klub.“

Fotos: Privat, FC Red Bull Salzburg, SC Austria Lustenau

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